„Wir ha­ben viel mehr Selbst­ver­trau­en als For­scher*in­nen ge­won­nen“

Text: Jana Haver

Alle Nachwuchswissenschaftler*innen des TRR 318 sind automatisch Mitglieder des Graduiertenkollegs (RTG). Im Interview sprechen Psycholinguistin Josephine Fisher undComputerwissenschaftler Roel Visser über ihre Erfahrungen mit der Promotion in interdisziplinären Projekten des Transregio sowie über die Unterstützung und Betreuung der RTG.
 

Sie sind beide Doktorand*innen am TRR 318, obwohl Sie in ganz unterschiedlichen Disziplinen und an verschiedenen Projekten arbeiten. Welche sind das?

Josephine Fisher: „Ich bin im Projekt A01 ‚Adaptives Erklären‘. Wir haben Forscher*innen aus der Linguistik, wie mich, aus der Psychologie und der Informatik. Wenn Menschen etwas erklären, beziehen sie normalerweise die Reaktionen ihrer Gesprächspartner*innen mit ein und passen ihre Erklärungen daraufhin an. Wir beobachten die Menschen in Erklärsituationen im Spiel. Das setzten wir dann in einem computergestützten Modell um. Meine Doktorarbeit ist Teil des Projekts. Mein Ziel ist es, zu untersuchen, wie Empfänger*innen der Erklärung in diese eingebunden werden. Das Thema ist interaktive Adaptivität.“

Roel Visser: „Ich bin im Projekt C01 ‚Gesundes Misstrauen in und durch Erklärungen“. Bei diesem Projekt arbeiten die Gruppe für maschinelles Lernen in Bielefeld und die Psychologiegruppe in Paderborn zusammen. Wir untersuchen die Schnittstelle zwischen den Menschen, die die Systeme benutzen, und den Systemen selbst. Die Idee dahinter ist, das gegenwärtige Systeme des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz fehlerhaft sein können oder Fehler produzieren. Sie sind aber dennoch sehr nützlich. Daher wäre es ideal, wenn die Menschen bereit sind, diese Systeme zu nutzen, ihnen aber nicht blind vertrauen. Wenn man von Netflix den falschen Film empfohlen bekommt, ist das nicht weiter schlimm. Aber wenn man selbstfahrende Autos nutzt oder es um Finanzen geht, ist das viel wichtiger. Ein Ziel des Projekts ist es, Menschen durch Erklärungen zu ermöglichen, etwaige Unstimmigkeiten in den KI-Systemen zu erkennen. Dadurch soll ein gesundes Misstrauen gegenüber den Systemen aufgebaut werden, anstatt dass Unstimmigkeiten zwischen Maschinen und Menschen entstehen.“

 

Sie haben beide im Oktober 2021 Ihre Promotion beim Transregio begonnen. Was war Ihre Motivation am Doktorand*innenprogramm des TRR 318 teilzunehmen?

Roel Visser: „Ich habe meinen Bachelor und Master in den Niederlanden in Informatik gemacht. Dann habe ich in Bielefeld in der Gruppe von Barbara Hammer meine Promotion begonnen. Mir gefiel der interdisziplinäre Aspekt der Arbeit. Ich war an den beiden unterschiedlichen Perspektiven des Projekts interessiert, dem computergestützten Aspekt, aber auch dem menschlichen Fokus. Es besteht eine Lücke hinsichtlich des Wissens und der Erfahrung der Menschen, aber auch bei den verfügbaren Daten. Zwischen den Menschen, die diese Systeme entwerfen, und den Menschen, die sie nutzen, herrscht eine große Unstimmigkeit.“

Josephine Fisher: „Ich habe meinen Master und Bachelor an der Universität Paderborn gemacht. Dort habe ich ein Doppelstudium in Anglistik und englischer Literatur- und Kulturwissenschaft absolviert. Als der TRR gestartet ist, saß ich noch an meiner Masterarbeit. Mir hat die Arbeit als wissenschaftliche Hilfskraft sehr gut gefallen, vor allem die Analyse von Forschungsdaten und das Durchführen von Studien. Außerdem mochte ich die Psycholinguistik als Teilgebiet der Linguistik sehr. Der Hauptgrund für mich, hier mitzumachen, war, dass Interesse an Adaptivitätsprozessen und diese empirisch analysieren zu können.“

 

Wie ist der bisherige Verlauf Ihrer Promotion im Transregio?

Josephine Fisher: „Mir gefällt die Arbeit in einem interdisziplinären Team. Ich habe zwei weitere Disziplinen dabei: Psychologie und Computerlinguistik. Man braucht aber alle diese Komponenten. Es ist hilfreich, aus verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven zu denken und so einen eigenen Standpunkt zu entwickeln. Als wir zum Beispiel unsere Daten erhoben haben, hatte jede und jeder einen anderen Anspruch an die Untersuchungen. Wir mussten einen Fragebogen für die Psychologiegruppe einführen. Die Computerlinguist*innen haben die Daten etwas anders aufbereitet gebraucht. Deshalb musste man sich genau überlegen, wie man alle Beteiligten mit einbezieht und so dann auch den eigenen Horizont erweitert.“

 

Was für Erfahrungen haben Sie im Rahmen Ihrer Forschungstätigkeit in den Transregio-Projekten gemacht? Gibt es bei der Zusammenarbeit im interdisziplinären Team auch Herausforderungen?

Roel Visser: „Ja, manchmal geraten die einzelnen Disziplinen etwas zu sehr in ihr eigenes Raster, auch in sprachlicher Hinsicht. In diesem Fall muss man sich immer wieder vergewissern, dass man über dieselbe Sache spricht. Letztendlich sollten alle in die gleiche Richtung gehen und in einer ähnlichen Weise denken. Es kann ein Vorteil sein, dass jeder seine eigene Perspektive hat, aber wenn die Aufgaben gemeinsam erledigt werden, müssen sie koordiniert werden. Es ist wichtig, sich immer wieder zu vergewissern, dass man auf derselben Seite steht.“

Josephine Fisher: „Außerdem muss man vereinbaren, worüber man spricht, eine positive Einstellung haben und die anderen Disziplinen auch wertschätzen. Es ist aber immer gut, diese brisanten Themen zu diskutieren und sich auf Begriffe zu einigen, denn in den anderen Disziplinen werden manchmal ganz andere Begriffe verwendet. Man lernt sehr viel, wenn man diese verschiedenen Disziplinen miteinander kombiniert.“

 

Sie forschen in verschiedenen Projekten, kennen sich aber aus dem Graduiertenkolleg im TRR 318. Welche Rolle spielt die RTG für Sie beide? Inwiefern wurden Sie bei Ihrer Promotion unterstützt?

Josephine Fischer: „Die RTG ist ein Graduiertenkolleg, das uns in unserem akademischen Werdegang fördern will. Man hat uns den Zugang dazu ermöglicht mit Workshops wie: 'Wie schreibt man ein Exposé?' oder 'Wie wird man ein*e Forscher*in?'. Die RTG hat uns in vielfältiger Weise unterstützt. In den Workshops haben wir uns auch untereinander kennengelernt. Es gab auch die Möglichkeit, gemeinsam zu schreiben und sich gegenseitig zu unterstützen. Das hat mir sehr geholfen. Im letzten Jahr habe ich einen sechswöchigen Forschungsaufenthalt in Bangor in Wales absolviert. Das Graduiertenkolleg hat uns ein Netzwerk eröffnet, in das wir uns selbst einbringen können.“

Roel Visser: „Mir haben die Workshops sehr gut gefallen, vor allem wegen der zusätzlichen Unterstützung außerhalb des eigenen Projekts, durch den Betreuer oder direkte Kolleg*innen. Die Perspektiven anderer Doktorand*innen sowie deren Probleme, auf die sie bei ihrer Forschung oder auf logistischer und kommunikativer Ebene stoßen, zu hören, war durchaus hilfreich. Als Außenstehender ist es oft schwierig, in eine neue Tätigkeit einzusteigen. Daher ist es sehr hilfreich, so eine Art Starthilfe zu bekommen.“

 

Welche Rolle spielt das interdisziplinäre Netzwerk für Nachwuchswissenschaftler*innen in der RTG?

Josephine Fisher: „Wenn man eine neue Stelle antritt, ist man normalerweise die neue Mitarbeiterin. Wir waren alle die neuen Kolleg*innen, die hier gemeinsam gestartet sind. Wir saßen alle im selben Boot. Das war sehr hilfreich, da wir direkt alle etwas miteinander gemeinsam hatten. Ich hätte wahrscheinlich sonst nie so viele verschiedene Menschen kennengelernt.

Mir hat es gefallen, mit allen zu reden und herauszufinden, was für Sorgen sie so haben und wie ihre Arbeit läuft. Es ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden. Ein TRR-Mitglied zu sein, ist ein Teil meiner Arbeitsidentität.“

Roel Visser: „Während der Promotion befindet man sich oft auf einer Insel und konzentriert sich ganz auf seine eigenen Forschungsprojekte. Außerdem kann man in seiner Forschungsgruppe auch auf einer Insel sein, mit seinem Professor und den anderen Doktorand*innen in dieser Gruppe. Manchmal ist es hilfreich, auch außerhalb dieser Insel eine gewisse Community zu haben. So fällt es leichter, die eigene Insel wieder zu verlassen. Mir gefällt diese Unterstützung in der Gruppe.“

 

Wie haben Sie sich während Ihrer Promotion im TRR 318 weiterentwickelt? Welche Erwartungen haben Sie für die Zeit nach der Promotion?

Josephine Fischer: „Wenn ich an 2021 zurückdenke - von da bis jetzt: Ich habe viel mehr Selbstvertrauen als Forscherin gewonnen. Ich weiß, dass es noch viele Dinge gibt, die ich lernen muss, aber das gehört zum Forscherdasein dazu. Man kann nicht alles wissen. Ich habe auch mehr Sicherheit im Umgang mit anderen Menschen gewonnen. So konnte ich lernen, rauszugehen und zu wissen, dass das, was man zu diesem Thema zu sagen hat, wichtig ist und dass man damit einen Einfluss auf die Forschungsgemeinschaft haben kann. Außerdem habe ich die zweite TRR-Konferenz organisiert und dabei viel gelernt. Für meine Zukunft wünsche ich mir, dass wir eine zweite Finanzierungsphase im TRR bekommen.“

Roel Visser: „Ich mochte es, mich in dieser Zeit als Forscher weiterzuentwickeln - sei es durch das Schreiben von Artikeln, die Forschung an sich oder die Zusammenarbeit und deren Entwicklung im Projekt. Das hat auch mein Selbstvertrauen insgesamt gestärkt. Außerdem gefiel es mir, immer tiefer in die Themen einzutauchen und mit der Zeit immer mehr Fachwissen zu erwerben. Was die Zukunft angeht, bin ich mir noch nicht sicher, wie es weitergeht. Im Moment bin ich offen für eine akademische Laufbahn oder die Industrie.“
 

Hinweis: Dieser Artikel stammt aus der TRR 318-Broschüre vom Sommer 2025.

Foto: Jana Haver

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