Für mehr Sicht­bar­keit: Stim­men aus dem TRR 318 zum Welt­frau­en­tag

Drei Frauen im TRR 318 sprechen über Gleichstellung und Chancengleichheit in der Wissenschaft. Prof. Dr. Katharina Rohlfing teilt ihre Erfahrungen in einer Führungsposition. Prof. Dr. Hanna Drimalla ermutigt zukünftige Wissenschaftlerinnen, ihre Karrierewege aktiv zu verfolgen. Und Ronja Hannebohm erläutert die projektinternen Maßnahmen, um Gleichstellung umfassend zu fördern. Drei Einblicke in die Herausforderungen und Erfolge, denen Frauen in der Wissenschaft begegnen.

 

Frau Rohlfing, Sie haben seit 2015 eine Professur für Psycholinguistik an der Universität Paderborn inne und sind seit 2021 Sprecherin des TRR 318. Haben Sie das Gefühl, dass sich das Umfeld für Frauen in der Wissenschaft in den letzten Jahren verändert hat?

Katharina Rohlfing: In meiner Wahrnehmung hat sich das Umfeld für Frauen in der Wissenschaft nicht wesentlich verändert. Zugegeben, es gibt großartige Angebote, um Frauen in ihrer frühen Karriere zu unterstützen, auch gibt es mehr Betreuungsangebote für Kinder, die beispielsweise von der Universität während der Schulferien organisiert werden. Doch diese ändern nur wenig daran, dass wissenschaftliche Arbeit viel Produktivität und viel Zeit verlangt. Dazukommt, dass sich die administrative Arbeit im universitären Kontext mehrt und die damit einhergehenden Erwartungen hinsichtlich Zuverlässigkeit und Verantwortung an Frauen besonders hoch sind. Das führt in den letzten Jahren zu einer zusätzlichen Belastung.

An welchen Stellen gibt es noch Luft nach oben?

Katharina Rohlfing: Ganz sicherlich gibt es Luft nach oben, was Frauen in Führungspositionen angeht. Ich vermute, das hat auch damit zu tun, dass Frauen besonders zuverlässig und mit viel Engagement arbeiten. Wenn dann noch hohe Bewusstheit über die eigenen Grenzen hinzukommt, kommen bestimmte Positionen nicht mehr in Frage. Ich denke, dass hier eine personelle Unterstützung, vor allem im Administrativen, gute Dienste erweisen könnte.

Was würden Sie jungen Frauen und Mädchen sagen, die einen wissenschaftlichen Beruf in Betracht ziehen?

Katharina Rohlfing: Frauen stellen andere Forschungsfragen als Männer. In vielen Bereichen sind es innovative Fragen, die wir dringend brauchen, um zu innovativen Lösungen zu kommen. Daher brauchen wir junge Frauen und Mädchen, die sich für Forschung begeistern und über Disziplinen hinweg vernetzen können. Im wissenschaftlichen Beruf kann man nicht nur das wissenschaftliche Feld, sondern auch sich selbst weiterentwickeln.

 

Frau Drimalla, Sie sind als Informatik-Professorinnen an der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld tätig. Wie wichtig waren Netzwerke und Mentoring für Ihre Karriere?

Hanna Drimalla: Ich halte es für Unsinn gezielt, sich ständig selbst zum Netzwerken zu zwingen – aber für wichtig, sich mit vielen Leuten auszutauschen und Kontakte mit sowohl jungen als auch erfahrenen Wissenschaftler*innen zu pflegen, mit denen einem der Austausch Spaß macht. Solcher Austausch war auch für mich sehr wichtig und bereichernd. Ich freue mich, wenn ich selbst Studierende, Mentees oder Mitarbeitende für mein Lehr- oder Forschungsgebiet, die Informatik oder einen Weg in die Wissenschaft nachhaltig begeistern kann.

Welche Herausforderungen haben Sie als Frau in der Wissenschaft und speziell der Informatik erlebt und wie haben Sie diese überwunden?

Hanna Drimalla: Im Gegensatz zu vielen anderen hatte ich das Glück, dass ich relativ früh durch eine Junior- und dann W2-Professur einen für die Wissenschaft relativ planbaren Weg gehen konnte. Das hat es auch erleichtert Karriere- und Familienplanung einigermaßen in Einklang zu bringen. Aber ich merke trotzdem aktuell, dass viele Abläufe und Traditionen im Wissenschaftsbetrieb aus einer Zeit stammen, als die meisten Menschen mit Professur eben Männer waren, denen zuhause eine Frau den Rücken freigehalten hat. Ein anderes Problem, mit dem ich immer wieder konfrontiert war, ist, dass die meisten bei ‚Prof. für Informatik‘ eher nicht an eine junge Frau denken. Wenn der eigene PostDoc von anderen für den Chef gehalten wird, mag das erstmal lustig sein, bedeutet aber auch, dass einem immer wieder mal Kenntnisse oder Fähigkeiten nicht zugetraut werden. Das zwingt einen manchmal die eigene Position oder Fähigkeiten stärker rausstreichen zu müssen, als es einem vielleicht sonst entsprechen würde. 

Welche Veränderungen wünschen Sie sich für Frauen in der Informatik in den nächsten Jahren?

Ich würde mir wünschen, dass das Wissenschaftssystem insgesamt flexibler wird für Menschen, die in unserer Gesellschaft Care-Aufgaben übernehmen wollen oder, etwa aus ökonomischen Zwängen, müssen. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn die Informatik wieder stärker als eine Wissenschaft wahrgenommen wird, in der Frauen (z.B. Ada Lovelace oder Grace Hopper) schon sehr früh wesentliche Beiträge geleistet haben.

 

Frau Hannebohm, der TRR 318 wird, wie die anderen Sonderforschungsbereiche und Transregios, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Als Geschäftsführerin des TRR sind Sie unter anderem für alle finanziellen Angelegenheiten verantwortlich. Investiert die DFG auch in Gleichstellung?

Ronja Hannebohm: Chancengleichheit und Diversität sind wichtige Zielsetzungen der DFG für Forschungsverbünde. In jedem Sonderforschungsbereich/Transregio können bis zu 30.000 Euro jährlich zur Förderung von Chancengleichheit beantragt werden. Während die meisten Gelder eines SFB/TRR flexibel genutzt werden können, um aus der jeweiligen Situation heraus bestmöglich forschen zu können, sind die Gelder für Chancengleichheit an ihren Verwendungszweck gebunden: Sie dürfen ausschließlich zur Förderung von Chancengleichheit eingesetzt werden. Chancengleichheit meint bei der DFG einerseits die Förderung von Frauen in der Wissenschaft, andererseits die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie schließlich die Sensibilisierung für Diversitätskategorien wie Geschlecht, ethnischer Hintergrund und soziale Herkunft.

Wofür werden die Mittel für Chancengleichheit im TRR 318 verwendet?

Ronja Hannebohm: Der TRR 318 verfolgt insbesondere die Zielsetzungen der Förderung von Frauen in der Wissenschaft und der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Frauen werden hierbei in jeder Statusgruppe und jeder Qualifikationsphase durch gezielte Trainings und Ressourcen gefördert – von der weiblichen studentischen Hilfskraft bis zur Professorin. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, finanziert der TRR 318 unter anderem zusätzliche Hilfskraftstunden und angemessenes Home-Office-Equipment für Wissenschaftler*innen, die zuhause in Pflege oder Betreuung eingebunden sind. Chancengleichheit ist allerdings meist kein Fall nach Schema F, weswegen die Mittel für Chancengleichheit oftmals nach Einzelfallentscheidungen für sehr spezifische Bedarfe verwendet werden.

Was würden Sie sich für den TRR 318 oder allgemein für Forschungsverbünde in Bezug auf Chancengleichheit noch wünschen?

Ronja Hannebohm: Ich glaube, dass wir innerhalb des TRR 318 zwar eine gute Strategie in Bezug auf die Verwendung der Mittel für Chancengleichheit haben, aber leider mangelt es bei uns und in anderen Forschungsverbünden oftmals an der richtigen Basis: Wenn das Geschlechterverhältnis deutlich zugunsten männlicher Wissenschaftler ausfällt und die weiblichen Wissenschaftlerinnen nur eine kleine Minderheit bilden, erreichen die Maßnahmen zur Chancengleichheit leider viel weniger Personen als wünschenswert wäre. Im TRR 318 ist die Situation mit durchschnittlich rund 55 % männlichen gegenüber 45 % weiblichen Wissenschaftler*innen noch relativ ausgeglichen, jedoch könnten die Verhältnisse insbesondere auf Ebene der Doktorand*innen ausgeglichener sein. In anderen Forschungsverbünden, insbesondere in solchen mit überwiegend naturwissenschaftlich-technischen Forschungen, sehen die Statistiken oftmals noch deutlich unausgeglichener aus. Es braucht gesellschaftliche und systemische Veränderungen, um hier langfristig etwas zu erreichen und mehr Frauen in die Wissenschaft zu bringen. Der Weltfrauentag ist hier sicherlich eine gute Maßnahme, um für mehr Sichtbarkeit zu sorgen und die Diskussionen weiter voranzubringen.

 

Der Internationale Frauentag wird jährlich am 8. März gefeiert und hat seine Wurzeln in der Initiative sozialistischer Organisationen vor dem Ersten Weltkrieg, die für Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen kämpften. Ergänzend macht der Internationale Tag für Frauen und Mädchen in der Wissenschaft am 11. Februar auf den ungleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaftsberufen aufmerksam.

Interview mit drei TRR-Mitgliedern: Projektleiterin Prof. Dr. Hanna Drimalla, Sprecherin Prof. Dr. Katharina Rohlfing und Geschäftsführerin Ronja Hannebohm (v.l.).

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