KI in der Bil­dung: Ka­tha­ri­na Rohl­fing im In­ter­view

Gibt man in eine Internet-Suchmaschine „KI in Kinderbüchern“ ein, erhält man eine Vielzahl von Ergebnissen, die zeigen, wie jeder mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ein Kinderbuch nach seinen eigenen Wünschen gestalten kann. Mit Hilfe von KI, selbstverständlich. Doch das eigentliche Thema KI ist in der Kinder- und Jugendliteratur noch kaum vertreten. Dabei wachsen die Jüngsten unserer Gesellschaft bereits in der fast alltäglichen Begleitung von Sprachassistenten, Chatbots und Assistenzrobotern auf. Wäre es daher nicht sinnvoll, diese Themen in Texte und Geschichten für Kinder zu integrieren? Katharina Rohlfing, Professorin für Psycholinguistik an der Universität Paderborn und Sprecherin des SFB/TRR 318 „Erklärbarkeit konstruieren“, erklärt im Interview, warum das Thema auch in der Kinder- und Jugendliteratur wichtige Akzente setzen kann. Sie selbst ist an mehreren Kinderbuchprojekten beteiligt, die kurz vor der Veröffentlichung stehen.

Warum ist das Thema der Künstlichen Intelligenz in der Kinder- und Jugendliteratur heute so wichtig?

Katharina Rohlfing: Es ist ein wichtiges Thema, weil die Technologie bereits Teil des Lebens der Kinder ist. Es führt kein Weg daran vorbei: Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kaffeemaschinen, Autos bestimmen unser Handeln. Auch wenn wir uns die Kindheit als einen Lebensabschnitt vorstellen, in dem das Erforschen und Lernen im Vordergrund steht, findet sie nicht in einer anderen Welt statt. Die Literatur befasst sich mit der Welt, die uns umgibt: unsere Sorgen, Werte, Herausforderungen. Überraschenderweise gibt es zwar einige Kinderbücher zum Thema Technologie (die einige technologische Themen erklären) oder über technologische Gefährten wie Roboter, aber das angebotene Motiv ist recht begrenzt: Ein Roboter zum Beispiel wird meist ähnlich vorgestellt wie ein Außerirdischer, der von einem anderen Planeten kommt und Unterstützung oder Erklärungen braucht, um sich in der menschlichen Welt zurechtzufinden. Bei unseren technologischen Fortschritten handelt es sich jedoch um Roboter, die den Menschen tatsächlich unterstützen. Welche Herausforderungen diese Unterstützung mit sich bringt und wie sie unsere Beziehungen und Erwartungen verändert, sollte auch für Kinder ein Thema sein. Auf diese Weise können sie darüber nachdenken, darüber sprechen und hoffentlich kluge Ideen entwickeln, wie man sie gestalten kann.

Die Meinungen über die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Menschen und KI gehen auseinander. Letztlich ist es wichtig, Kindern und Jugendlichen eine Reihe von Möglichkeiten im Umgang mit KI aufzuzeigen?

KR: Es ist wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass Technologie nicht als gegeben hingenommen werden muss. Der Mensch entwickelt Technologien, kann sie als nützlich erachten oder sich gegen sie entscheiden und er kann sie gestalten. Dies ist besonders wichtig angesichts der derzeitigen rasanten technologischen Entwicklungen: Als Teil der Gesellschaft haben wir wenig Zeit, um kritisch zu reflektieren, was die (neue) Technologie beeinflusst und ob wir mit den Veränderungen zurechtkommen werden. Kürzlich, bei der Einführung des ChatGPT, forderten einige Entwickler*innen und Wissenschaftler*innen ein halbes Jahr Bedenkzeit und einen Stopp der weiteren Entwicklungen. Auch wenn es unmöglich erscheint, dass jeder einem solchen Vorschlag nachkommt, ist der allgemeine Gedanke, mehr und tiefer gehende Diskussionen über die technologischen Entwicklungen zu führen, für eine demokratische Gesellschaft unerlässlich.

Im Transregio erforschen die Wissenschaftler*innen unter anderem die Ko-Konstruktion von Verstehen. Ist es wichtig, junge Leser*innen für diese perspektivische, konstruktive Zusammenarbeit mit KI-Systemen zu sensibilisieren?

KR: Ich bin sehr stolz auf die Bücher, die bald erscheinen werden, weil sie sehr schön zeigen, wie schwierig es ist, sich auf Interaktionspartner*innen einzustellen und gemeinsam ein sinnvolles und unterhaltsames Ereignis zu gestalten! Das ist im Grunde das, was wir mit „Ko-Konstruktion“ meinen. Es scheint so natürlich zu sein, und Menschen können es ohne große Anstrengung tun - selbst Kinder sind Experten darin. Aber für einen technologischen Begleiter, wie beispielsweise einen Roboter, ist eine Menge Wissen über unsere Welt, Handlungen, Werte und so weiter erforderlich. Die Bücher vermitteln, wo die Herausforderungen und derzeitigen Grenzen liegen. 

Der Transregio bietet Workshops für Schulklassen an, um KI-Themen zu erforschen. Inwieweit bieten KI-Themen in der Kinder- und Jugendliteratur eine gute Ergänzung dazu?

KR: Workshops für Schulklassen bieten eine Erfahrung von und mit KI. Das ist toll, erfordert aber viele fortgeschrittene kognitive und sprachliche Fähigkeiten. Kinderliteratur hat die Eigenschaft, die sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten von Kindern zu berücksichtigen und sich an sie anzupassen. Die Bücher über KI erzählen eine Geschichte und bieten ein Beispiel für die Benutzerfreundlichkeit und ihre Schwierigkeiten. Für kleine Kinder können sie eine Gelegenheit bieten, darüber zu sprechen und nachzudenken. Dies kann ein erster Zugang zu kritischem technologischem Denken sein.

Prof. Dr. Katharina Rohlfing, Sprecherin des TRR 318